Die Zukunft der Kunst­vermitt­lung ist
hybrid

Jasmina JanoschkaÖffentlichkeitsarbeit im Kunstbereich
2.12.2021
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Noch nie zuvor war es so einfach, Menschen mit Kunst zu erreichen, ist das Smart­phone doch unser ständiger Begleiter: im Bett, auf dem Klo, in der Straßen­bahn, im Restaurant, beim Date. Wer nicht den Gang ins Museum schafft, hat so dennoch die Möglich­keit, im Internet 24/7 Kunst zu erleben und bekommt Kunst­werke, die am anderen Ende der Welt ausgestellt sind, direkt ins heimische Wohn­zimmer geliefert. Doch was bedeutet das für die Kunst­vermittlung?

Der Kunst, vor allem zeit­genössischer Kunst, eilt nicht gerade der Ruf voraus, leicht verständlich zu sein. Noch immer wird sie als elitär und unnahbar wahrgenommen, als fern von der eigenen Lebens­wirklichkeit angesiedelt. Dabei sind es doch gerade zeit­genössische Künstler*innen, die sich mit aktuellen gesell­schaftlichen Themen auseinandersetzen, die unser tägliches Leben prägen: der Wahrnehmung von Rollen­bildern, Identität, Globalisierung, modernen Technologien, um einige zu nennen. Da sich viele zeit­genössische Werke nicht augen­blicklich erschließen – inhaltlich wie ästhetisch – fällt es den Betrachtenden häufig schwer, einen Zugang zu ihnen zu finden. Zu tief sitzt der Glaube, wir müssten über ein gewisses skill set verfügen, um sie begreifen zu können und uns ein Urteil über sie erlauben zu dürfen, etwa Wissen über die Künstler*innen, die angewandten Techniken oder bestimmte Referenzen. An dieser Stelle kommt die Vermittlung ins Spiel, die gerade im Bereich zeitgenössischer Kunst unabdingbar ist.

Die Zielsetzung der Kunst­vermittlung ist es, Brücken zwischen der Kunst und den Betrachtenden zu schlagen, sie einander näherzubringen und der Frage nachzugehen: Was hat die Kunst mit uns als Mensch zu tun? Die analoge Praxis der Kunst­vermittelnden erreicht dies durch den direkten Kontakt und Austausch mit den Besucher*innen: Innerhalb dialogischer Führungen haben die Teilnehmenden etwa die Möglichkeit, mit den Kunstvermittler*innen ins Gespräch zu kommen – anstatt sich einfach nur frontal beschallen zu lassen. Aber wie lässt sich das in den digitalen Raum übertragen? Am Anfang der Corona-Pandemie wurde das Internet von digitalen Führungen und Workshops, 360°-Rundgängen, Live-Talks und Co. regelrecht geflutet. Was viele davon vereint: Als Teilnehmer*in wird man schnell in die passive Rolle der Zuschauenden gedrängt. Dabei lebt und gedeiht die Kunst­vermittlung von einem Dialog auf Augenhöhe, bei dem alle ihre eigenen Erfahrungen und Perspektiven einbringen können, schließlich verfügen Kunstvermittler*innen nicht über die Deutungshoheit.

Gleichzeitig bietet die digitale Vermittlung unglaubliche Potenziale, um Kunst einem möglichst großen Publikum niedrig­schwellig zugänglich zu machen. Die meisten haben das Smart­phone immer dabei, sodass sie zu jeder Tages- und Nachtzeit und fast an jedem Ort auf digitale Angebote zugreifen können, die in vielen Fällen sogar kostenfrei verfügbar sind. Je nach Geschmack und Situation ist genau das Format wählbar, das den persönlichen Bedürfnissen entspricht: Sei es ein kurzer Werktext, der beim Scrollen durch Instagram gelesen wird, ein Podcast, der beim Kochen oder Bahnfahren gehört oder ein Live-Angebot, das bequem vom Sofa aus wahrgenommen wird. Durch die einfache Zugänglichkeit digitaler Vermittlungs­formate wird Kunst zum festen Bestandteil unseres Alltags und macht im Idealfall Lust, sie auch außerhalb der virtuellen Welt zu rezipieren.

Das bedeutet keinesfalls, dass digitale Kunst­vermittlung nur dazu da ist, potenzielle Besucher*innen anzulocken. Wer diese Haltung vertritt, verkennt ihre Fähigkeit, Barrieren abzubauen und Zugänge zu schaffen. Es geht vielmehr darum, die positiven Eigenschaften des Analogen und Digitalen miteinander zu kombinieren – etwa das dialogische Prinzip analoger Formate mit der Niedrig­schwelligkeit des digitalen Raums. Das erfordert jedoch Personal, das neben dem nötigen Know-how auch über Kapazitäten verfügt, um hybride Angebote zu entwickeln und umzusetzen.

Aber auch mit kleinen Veränderungen lassen sich Synergien schaffen: Wer seine Veranstaltungen live streamt oder im Anschluss als Video zur Verfügung stellt, bietet mehr Menschen die Möglichkeit, daran teilzuhaben. Werden neben analogen Führungen vor Ort ebenso digitale angeboten, können auch Menschen teilnehmen, die aus geografischen oder körperlichen Gründen nicht persönlich in eine Aus­stellung kommen können. Bei digitalen Workshops lassen sich sinnliche Erlebnisse durch analoge Materialien ermöglichen, die man entweder zugeschickt bekommt oder sowieso zu Hause hat. Die Zukunft der Kunst­vermittlung ist hybrid und wir sind noch weit davon entfernt, dieses Potenzial ausgeschöpft zu haben, um noch mehr Menschen für Kunst, vor allem zeitgenössische, zu begeistern.

Lektorat: Anne Pitz
VOILÀ ist ein Kooperationsprojekt von MM, M und der Stadtgalerie Saarbrücken. Das Projekt wird gefördert von der Stiftung Kunstfonds (NEUSTART KULTUR, Projektförderung für kunstvermittelnde Akteur*innen) und Saarland-Sporttoto GmbH.

VOILÀ is a collabarotive project by MM, M and the Stadtgalerie Saarbrücken. The project is funded by the Stiftung Kunstfond (NEUSTART KULTUR, project funding for art-mediating actors) and Saarland-Sporttoto GmbH. 
VOILÀ est un projet de coopération entre MM, M et la Stadtgalerie Saarbrücken. Le projet est soutenu par la fondation Stiftung Kunstfonds (NEUSTART KULTUR, Projektförderung für kunstvermittelnde Akteur*innen) et Saarland-Sporttoto GmbH.